In der Oktober-Ausgabe des Demokratiecafés standen die geplanten Neuerungen im Staatsbürgerschaftsrecht im Mittelpunkt. Die Pläne der Bundesregierung, die Bedingungen für die Einbürgerung zu verändern, wurden in großer Runde lebhaft diskutiert.
Leitfragen & aktuelle Entwicklungen
Ein Großteil der Teilnehmenden kannte sich aus eigener Erfahrung bereits gut mit der Thematik aus, sodass die aktuellen Entwicklungen umfassend reflektiert werden konnten. Dabei wurden entlang verschiedener Methoden, einschließlich einer Kurzumfrage, Arbeitsblättern und einer Präsentation, folgende Leitfragen diskutiert:
Welche Gründe lassen sich finden, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen? Welche Bedingungen sind heute daran geknüpft? Welche Neuerungen sind geplant? Und was ändert sich hinsichtlich der doppelten Staatsbürgerschaft?
Als besondere Neuerung wurde dabei wahrgenommen, dass mit dem neuen Gesetz die generelle Möglichkeit entstehen würde, eine doppelte Staatsbürgerschaft anzunehmen bzw. deutsche*r Staatsbürger*in zu werden, ohne die bisherige Staatsbürgerschaft abzulegen.
Wurde u.a. dieser Aspekt von den Teilnehmer*innen begrüßt, warfen andere Aussagen der Bundesinnenministerin zum neuen Gesetz Fragen auf.
Anliegen & Bedarfe aus sich der Teilnehmer*innen
So wurde kritisch hinterfragt, inwieweit die materielle Unabhängigkeit bzw. die Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt umfänglich zu sichern, nicht ohnehin schon erforderlich ist, um den deutschen Pass zu erhalten.
Zudem scheint diese Anforderung insbesondere aus gleichstellungspolitischer Sicht unangemessen zu sein. Denn Frauen kommen in der Regel neben ihrer Berufstätigkeit auch noch vielfältigen familiären Pflichten, also der Care-Arbeit nach, und können deshalb häufig nur in Teilzeit arbeiten.
Was unter keinen Umständen entstehen darf, ist eine Zwei-Klassen-Einbürgerung. Integrationspolitisch kontraproduktiv wäre eine Einbürgerungsstrategie, die hochqualifizierten Fachkräften die schnelle Einbürgerung ermöglicht, während die Einbürgerung von Menschen, die seit Jahrzehnten Teil der deutschen Bevölkerung sind und zum wirtschaftlichen Fortkommen des Landes beitragen, systematisch verhindert wird.
Für Diskussion sorgte zudem die Neuerung, dass Straffreiheit hinsichtlich antisemitischer und rassistischer Straftaten bestehen muss, um eingebürgert zu werden. Auch hier scheint eine Forderung in das neue Gesetz einzugehen, die bereits Bestand hat, zudem ja auch bisher Straffreiheit vorausgesetzt wurde.
Unabhängig von der tatsächlichen juristischen Verschärfung des Einbürgerungsgesetzes in dieser Hinsicht, sorgte dieser Vorstoß der Regierung vor allem unter normativen Gesichtspunkten für weitere Diskussion.
So war für alle Beteiligten klar, dass Antisemitismus und Rassismus zu verurteilen sind und keinen Platz in einer Demokratie haben, insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Gleichzeitig, so wurde kritisiert, scheint hier jedoch ein gewisser Generalverdacht in die Gesetzgebung einzufließen. Einer gelingenden Integration sei dies eher hinderlich, wie die Teilnehmer*innen gemeinsam festhielten.
Praktische Hindernisse – die eigentliche Krise der deutschen Einwanderungspolitik
Die eigentliche Krise in der Deutschen Einwanderungspolitik liegt aus Sicht der Teilnehmer*innen jedoch in der Praxis begründet. Die Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Einbürgerung und damit verbundenen Anfragen ziehen sich teils über Jahre hin. Vieles bleibt dabei für die Antragsteller*innen intransparent und unklar.
So fehlt beispielsweise an einem Serviceversprechen der Behörden über die Länge der Antragsverfahren bzw. die Dauer der Antragsprüfung. Überhaupt werden keinerlei Angaben zu den laufenden Prozessen gemacht, wenn es um noch anstehende Schritte, vor allem aber um die Dauer geht.
Darüber hinaus wird von einer insgesamt ablehnenden Haltung gegenüber Menschen berichtet, die sich einbürgern lassen wollen. Eine lebendige Willkommenskultur ist innerhalb der Behörden nur selten zu spüren.
Gemeinsam mit den Stadtteilmüttern
Besonderer Dank gilt bei dieser Ausgabe des Demokratiecafés den engagierten Frauen des Projekts „Stadtteilmütter in Tempelhof-Schöneberg“, in Trägerschaft des Pestalozzi-Fröbel-Hauses – für den Themenwunsch, die Ausrichtung der Veranstaltung und nicht zuletzt für die sehr engagierte Beteiligung.
Die inhaltliche Ausgestaltung und die Moderation lagen bei Samuel Müller, Die Projektwerkstatt Berlin – Verein für demokratische Beteiligung und soziale Teilhabe e.V.
Text: Samuel Müller
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